Zurück aus der Sommerpause

Lesedauer: 3 Minuten

Die Wortfrau meldet sich zurück aus der Sommerpause. Und nimmt das direkt zum Anlass, über eine wunderbare Fähigkeit der deutschen Sprache zu schreiben: nämlich beliebige Hauptwörter aneinander zu reihen ohne irgendeine Abhängigkeit oder Beziehung zu benennen, außer aus dem Kontext des letzten Wortteils. Dieser bestimmt das grammatikalische Geschlecht und den Zusammenhang des Kompositums (so der Fachbegriff). Denn es macht einen erheblichen Unterschied, ob ich von einer Weinflasche oder einem Flaschenwein spreche.

Doch nur aufgrund von Lebenserfahrung weiß ich, dass eine Glasflasche nichts über den Inhalt, sondern nur über das Material des Gefäßes aussagt. Eine Wasserflasche hingegen kann aus Glas, Kunststoff, sogar Metall sein. Und bei der Ballonflasche erfahre ich weder etwas über Inhalt noch das Material, sondern habe nur eine bestimmte Form vor Augen.

Zurück zur Sommerpause: üblicherweise ist damit die Pause von irgendetwas während des Sommers gemeint, zum Beispiel Fernsehsendungen, Politikbetrieb, Nutzung des Gehirns vor dem Posten auf Facebook (scnr).
Es könnte aber der erste Wortteil auch den Zweck näher benennen: Bei der Frühstückspause unterbreche ich meine Arbeit, um etwas zu essen. Also habe ich Pause gemacht, um den Sommer zu genießen? Ja, auch.

Bei der Arbeitspause hingegen mache ich Pause von der Arbeit. Aber Pause vom Sommer war es definitiv nicht, es gab reichlich Sonnenschein und warme Tage!

Oder könnte es sein, dass die Pause aus Sommer bestand, also etwas über den Inhalt oder die Beschaffenheit aussagt? So wie Sonnenblumenöl aus Sonnenblumenkernen gepresst wird. Ja, das Wetter der letzten Wochen bestand schon überwiegend aus sommerlichen Zutaten…

Aber was ist dann mit Babyöl? Glücklicherweise wird das nicht aus Babys gemacht.

Der erste Wortteil kann nämlich auch näher bestimmen, für wen etwas bestimmt ist. War also die Pause für den Sommer bestimmt, damit er sich mal vom Wetter erholen kann?

In den allermeisten Fällen werden uns unsere Lebenserfahrung und der Zusammenhang dabei helfen, bei Hundekuchen nicht Vierbeiner als Hauptzutat zu vermuten. Aber der beliebte Sandkuchen hat schon manchen kindlichen Sprachanfänger skeptisch gucken lassen. Manchmal kann es deshalb sinnvoll sein, die Wörter zu trennen, um Zweideutigkeiten zu vermeiden: Öl für das Baby; Flasche aus Glas; Pause, um zu pinkeln.

Die Überschrift dieses Beitrags würde ich dann wie folgt ändern: Zurück aus der Pause von der Arbeit, während der ich den Sommer genossen habe.:-)

Pinker Holunderblütenduft?!

Lesedauer: 1 Minute

Manchmal glaube ich, dass Werbetexter die natürlichen Feinde der Sprachliebhaber sind (dicht gefolgt von Bürokraten, Juristen und Verwaltungsbeamten). Aber in zwei Worten gleich zwei Regeln nicht zu beachten, ist schon fast wieder eine Kunst!
Und gibt mir die Möglichkeit, gleich zwei Blogbeiträge (hier geht’s zum zweiten) zu schreiben, denn jede Regel für sich ist definitiv einen Post wert.

Beginnen wir mit dem ersten Wort. Tatsächlich kann man im Deutschen nur die Grundfarben sowie schwarz, weiß und grau beugen (=deklinieren): das rote Haus, den blauen Himmel, in dem grünen Wald. Alle anderen Farbzwischentöne (deren Namen häufig von Substantiven abgeleitet sind) werden beim Wandern durch die Fälle grammatikalisch korrekt nicht verändert: die rosa Wolke, der anthrazit Pullover, die pink Blüte.

Okay, gerade die beiden letzten klingen einfach falsch in den Ohren – deshalb darf und sollte man sich mit einem „Wordaround“ helfen: der beigefarbene Teller, die fliederfarbene Tischdecke. Das Anhängen von -ne (lilane) oder -e (orange) mag verlockend sein, ist aber falsch. Auch, wenn sich rosane Leggins in der Alltagssprache fest etabliert haben, sollte man im geschriebenen Wort darauf verzichten. Ebenso auf den pinken Duft.

(Wen es interessiert: Das Wort pink geht übrigens auf das englische Wort für Nelke zurück. Und noch mehr Beispiele für Farbbezeichnungen hat der wunderbare Kollege Bastian Sick schon 2014 in seiner Zwiebelfisch-Kolumne gesammelt.)

Texte sind Kino im Kopf

Lesedauer: <1 Minute

Ich habe es ja schon mal kurz angedeutet: Jedes gelesene Wort erzeugt sofort ein Bild im Kopf. Und das gilt nicht nur für Romane und Gedichte, sondern auch für Sachtexte oder kurze Beschreibungen auf der Internetseite.
Wie das funktioniert, zeige ich hier mal an dem Beispiel einer recht abstrakten Ausgangsinformation, die je nach verwendeten Synonymen oder auch zusätzlichen beschreibenden Adjektiven ganz unterschiedliche Bilder und Stimmungen beim Leser erzeugt.

Die Ausgangsinformation: An einem Waldrand steht ein Gebäude.

Varianten:

  • Am Rand des Tannenwaldes steht ein Haus.
  • Fröhlich leuchten die roten Fensterrahmen des Einfamilienhauses vor dem Hintergrund des sattgrünen Buchenwaldes.
  • Die elegante Villa am Waldrand besitzt 20 Zimmer.
  • Wie ein verwunschenes Hexenhaus duckt sich die Kate unter die Bäume des Waldrands.
  • Die eingefallenen Ruinen der Fabrik locken Tiere und Vögel aus dem nahegelegenen Wald.
  • Vier Fenster hat das Haus nach vorne, mit denen es Besucher freundlich anschaut. Der hintere Teil ist wegen des umgebenden Waldes noch nicht zu erkennen.
  • Die gehobene Immobilie in ruhiger Lage mitten in der Natur wurde im Jahr 1980 erbaut.
  • In der mondlosen Nacht ist die heruntergekommene Baracke vor den dunklen Schatten der Tannen und Fichten kaum zu erkennen.
  • Das ehemalige Heim der Familie ist mittlerweile von den Ausläufern des nahen Waldes fast vollständig umgeben.
  • Ein mondänes Herrenhaus in viktorianischem Baustil erhebt sich vor der Silhouette des nahen Eichenwalds.

Fallen Euch noch weitere Varianten ein?

Die Qual des Autors

Lesedauer: 2 Minuten

Eine meiner Grundüberzeugungen als Journalistin und Lektorin ist, dass sich beim Schreiben und Lesen immer nur einer quälen sollte, und zwar der Schreiber. Der fertige Text muss so klar, dass der Leser ihn ohne großes Nachdenken vollständig erfassen kann (wenn ihn das Thema interessiert). Im Internet gilt sogar die goldene Regel „don’t make me think“ – denn bevor der Seitenbesucher darüber nachdenken muss, wo er jetzt die gesuchte Information auf der Seite wohl finden könnte, ist er meist schon wieder weg.

Deshalb singe ich auch das hohe Lied der korrekten Zeichensetzung. Kommata und andere Satzzeichen helfen nicht nur beim Strukturieren eines Textes, sie machen auch die inhaltliche Erfassung einfacher – wenn sie an der richtigen Stelle sitzen.

Auch von konsequenter Klein- oder Großschreibung rate ich ab. Gerade Vielleser erfassen nicht einzelne Wörter (geschweige denn Buchstaben), sondern oft komplette Sätze. Und der wiedererkennungseffekt bei korrekter groß- und kleinschreibung ist um ein vielfaches höher als bei individueller auslegung der orthografie. Außerdem mag ich nicht in einem Fließtext ANGEBRÜLLT werden.:-o

Ja, manchmal ist es eine Quälerei, bis der Text fertig ist und sich so liest und anfühlt, wie man sich das vorgestellt hat. (Gutes Testmittel: Einmal den Text laut vorlesen, dann findet man Stolperstellen schnell und auch Tippfehler werden nicht so einfach überlesen). Manchmal hilft es auch, mal eine Pause einzulegen und den Text einen Tag beiseite zu legen und sich dann erneut vorzunehmen.

Aber jeder, der schreibt, sollte sich immer wieder bewusstmachen, dass wir alle viel mehr lesen als schreiben. Wir schreiben einmal Olivenöl auf den Einkaufszettel und haben im Supermarkt die Auswahl zwischen zehn verschiedenen Marken.
Von einer Person geschrieben, wird ein Text vielleicht von Dutzenden oder sogar Hunderten Besuchern gelesen. Und wenn sich nur jeder Zehnte dann nicht über fehlende Kommata ärgern muss, ist das doch die Quälerei wert, oder?

Wenn Sprache als Verkleidung genutzt wird

Lesedauer: 3 Minuten

Wer von seinen Lesern verstanden werden will, sollte so konkret wie möglich schreiben. Denn ganz automatisch und unbewusst versucht das Gehirn beim Lesen alle aufgenommenen Wörter in Bilder zu übersetzen. Und je besser und genauer die Bilder sind, die im Lesergehirn erzeugt werden, umso einfacher wird der Inhalt behalten und verstanden.
Fun fact am Rande: Für das Wort „nicht“ gibt es kein Bild – deshalb bleibt im Gehirn bei Aufforderungen oder Anweisungen mit „nicht“ eher positive Aussage hängen als dessen Verneinung. So ist es erfolgversprechender zu rufen: „Steig auf die dicken Zweige!“ statt zu sagen „Steig nicht auf die dünnen Zweige!“.

Dabei scheint der Trend im Zuge von Political Correctness zu immer mehr Abstrahierungen und Verallgemeinerungen zu gehen. An Niederschlag, Erziehungsberechtigte und Studierende haben wir uns im Wetterbericht, Mitteilungen der Schule und Nachrichten gewöhnt. Und trotzdem erzählen wir Freunden eher vom Wolkenbruch, regen uns über unfähige Mit-Eltern auf oder lästern über Studenten, die bis mittags schlafen.

Wunderbar verschleiern kann man Aussagen und Informationen durch Substantivierungen. Sehr beliebt sind sie z.B. als Stichworte in Meetingprotokollen. Doch mangelt es dann dort häufig an der konkreten Aufgabe (und niemand fühlt sich zuständig). Wurde nur notiert „Klärung der Dekoration“, weiß nach zwei Wochen schon niemand mehr, ob das nun das Ergebnis oder das To-do war – und wenn letzteres, wer es eigentlich machen soll (geschweige denn bis wann und mit welchem Budget…). Zugegeben, mit entsprechende Spalten in der Protokollvorlage kann man sich helfen, aber was spricht gegen den einfachen Satz: „Uwe kümmert sich bis zum nächsten Treffen darum, dass das Budget für die Dekoration geklärt ist“?  Das können sich dann sogar alle Teilnehmer ohne Protokoll merken. 😉

Substantivierungen werden aber auch gerne bei Meinungsmache und diffusen Behauptungen benutzt. So wie in der Überschrift des Artikels. Ich muss nicht sagen, wer tatsächlich die Sprache als Verkleidung benutzt (und die aktive Formulierung wenn Sprache sich verkleidet ist sogar falsch, denn wir Menschen benutzen ja die Sprache, nicht sie sich selbst). Ich behaupte das einfach, am besten noch als Passivkonstruktion, was immer eine gewisse Hilflosigkeit und Opferrolle signalisiert, und schon steht die Aussage in der Welt.
Die Steigerung wäre dann die Ergänzung Immer mehr, die suggeriert, dass sich da etwas (Ungutes) entwickelt. Diese Unart kommt leider aus dem Journalismus: Damit ein Thema eine Meldung wert ist, muss ein neuer Aspekt oder eine Veränderung benannt werden – denn wenn es genauso ist wie früher, ist es keine Nachricht wert.

„Iss, was gar ist, trink, was klar ist, sprich, was wahr ist“ soll Martin Luther geraten haben. Da ich hochprozentigen Schnaps überhaupt nicht trinke, würde ich es so umformulieren: „Iss, was gar ist, sprich, was wahr ist, schreib, was klar ist.“

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